Lerne die Geschichte von Cuatrovitas kennen

Unserer Forschungsergebnisse zu Siedlungsplatz, Moschee und immateriellem Erbe.

Das Dorf

Die Wallfahrtskapelle

Die Wallfahrtskapelle

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Die Materielle Kultur

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Wissenswertes zum Fundplatz

Die Jungfrau von Cuatrovitas und ihre Kapelle nehmen in der Volksfrömmigkeit der Bollullaner und auch sonstiger Einwohner der Aljarafe und der Umgebung Sevillas einen unverrückbar festen Platz ein. Dies macht den Ort zu einem häufig besuchten Ziel, ganz besonders während der zahlreichen Festivitäten, die sich zeitlich um die Übertragung der Statue nach Bollullos (am 25.7., dem Jakobstag) und deren Zurückführung von Bollullos nach Cuatrovitas (am vierten Oktobersonntag) gruppieren.

Die Geschichte dieser lokalen Marienverehrung lässt sich bis in das Mittelalter zurückverfolgen. Analog dazu hat auch die bauliche Struktur lange Jahrhunderte überdauert und kann sogar bis auf die Almohandezeit (1147‒1248) zurückgeführt werden. Einst als islamischer Betsaal erbaut, wurde das Sakralgebäude in eine Kirche konvertiert und erfüllte bald die Aufgabe, der religiösen Verehrung der Jungfrau Raum und Schutz zu geben. Aus islamischer Zeit stammt aber nicht nur die Grundstruktur der Kirche und ihres Turmes, dem ehemaligen Minarett. Mittlerweile wissen wir auch, dass im Norden und Osten zwei großen Siedlungen gelegen haben.

Cuatrovitas ist daher insgesamt ein interessantes Fallbeispiel für die Erforschung einer mittelalterliche Wüstung (verlassene Ansiedlung). Hier lassen sich sowohl vor Ort interessante Zeugnisse seiner Vergangenheit als auch die typischen Kulturlandschaft der Aljarafe mit ihrer auf den Olivenanbau spezialisierten Landwirtschaft wiederfinden und studieren.
br>Das besondere historische, archäologische und volkskundliche Interesse für diesen Ort haben die Universitäten Bamberg und Sevilla und die Gemeinde Bollullos de la Mitación zu einer archäologischen Untersuchung veranlasst. Verschiedene Fachdisziplinen erforschen nun hier die Vergangenheit, um die Ergebnisse im Anschluss öffntlichwirksam zu präsentieren. Cuatrovitas kann dadurch in Zukunft zu einem Ort der Identitätsfindung für die ganze Region werden.

Die Siedlung von Cuatrovitas

Wie wir heute wissen, lag Cuatrovitas in einer dicht besiedelten Zone, in der sich auch zahlreiche andere Ansiedlungen in weniger als 2 km Umkreis befanden. Diese Siedlungsdichte zeigt an, dass die Gegend im Mittelalter intinsiv für Landwirtschaft genutzt wurde. Sogar Cuatrovitas selbst scheint aus zwei eng benachbarten Siedlungskernen zu bestehen, von denen einer nördlich der ehemaligen Moschee und einer jenseits des Baches La Norieta lag.

Die Bebauungsstruktur war dicht und relativ geordnet. Die Häuser schmiegten sich mit ihren Seiten- und Rückwänden zu kleinen Vierteln zusammen, die durch das Netz der Straßen und Gassen voneinander getrennt waren. Dies zeigten verschiedene archäologischen Untersuchungen, die im Umfeld der einstigen Moschee angelegt worden sind. Auch die einheitliche Orientierung aller erfassten Mauern mit etwa 10° Abweichung von der exakten N-S-Richtung spricht für ein einheitliches Raster bei Planung und Bebauung.

Cuatrovitas besteht aus zwei Siedlungskernen

Die geschätze Einwohnerschaft lag bei 5 000 Bewohnern

Seine Gründung erfolgte bereits Ende 10./11. Jahrhundert

Die Bebauungsstruktur war dicht und geordnet

Alle Häuser besaßen einen einheitlichen Grundriss: Die Raumfolge ordnete sich immer um den zentralen Innenhof. Dieser war umlaufend meist mit einem Streifen Ziegelsteinboden befestigt und verfügte über einen Hausbrunnen zur Wasserversorgung. Um diesen Hof auf mindestens drei, meist vier Seiten, lagen die Wohnräume mit ihren unterschiedlichen Funktionen: Im Norden befand sich meist der Hauptraum oder Salon, der durch die erhöhte Sonneneinstrahlung als Temperaturregler für das ganze Haus fungierte. Die Grundfläche der Häuser dürfte recht unterschiedlich gewesen sein. Ein Hofhaus, das wir komplett rekonstruieren konnten, erstreckte sich über ca. 200 m2

Beide Siedlungskerne hatten jeweils eine Größe von ca. 10 ha, so dass jeweils eine Einwohnerzahl von 2000 bis 2500 Personen hochgerechnet werden kann. Die Kleinfunde zeigen an, dass die Gründung dieser Siedlungen zwischen die ausgehende Kalifatszeit (um 1000) und die Zeit der Taifas (Kleinkönigreiche des 11. Jahrhunderts) fällt. Ohne Zweifel datiert die Blütezeit des Ortes jedoch unter die Almohaden, als man schließlich auch den Bau der Moschee veranlasste. Ihre Baustruktur ist in den Mauern der Kapelle bis heute maßgeblich erhalten.

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Forschungsfragen der Archäologie

Welche Größe hatte Cuatrovitas und wieviele Menschen lebten dort?

Die Klärung dieser Fragen war seit Beginn des Projektes ein wichtiges Ziel. Als nicht-invasive Arbeitsmethode haben wir die archäologische Feldbegehung gewählt, die die zahlenmäßige Verbreitung der historischen Funde auf der Oberfläche auswertet. Das Ergebnis ermöglichte, Siedlungsflächen von sog. Off-Site-Zonen abzugrenzen.

Um dieses Resultat zu überprüfen, war die Untersuchung derselben Fläche mit technisch-physikalischen Mitteln nötig. Mit einem Magnetometer, der die verschiedenen Magnetfelder der unterschiedlichen Bodenstrukturen im Untergrund aufzeichnen kann, wurde schließlich ein geophysikalisches Messbild des Geländes erstellt. Sichtbar werden dadurch Baustrukturen, Gruben, Feuerstellen etc. Die Ergebnisse beider Methoden decken sich weitgehend und zeigten zwei benachbarte Siedlungen von jeweils etwa 10 ha Ausdehnung, von denen eine nördlich der Moschee und eine südwestlich jenseits des Bachlaufes errichtet war.

Um die Bevölkerungszahl zu ermitteln, haben wir uns auf die Bevölkerungsdichte gestützt, die aus der Fläche anderer archäologischer Fundplätze bereits errechnet worden ist. Über die Infrastruktur-Einrichtungen und über den Begräbnisplatz der Siedlung wissen wir noch nichts (eine Ausnahme stellen die christlichen Bestattungen um die Kapelle dar).

Welche Merkmale kennzeichnen die Siedlungen und ihre Häuser?

Um die Stadtstruktur und die Bebauungsdichte zu erfassen, haben wir die Methode der Magenetometerprospektion benutzt. So konnten z. B. zentrale Straßenachsen sichtbar gemacht werden. Diese Daten wurden an mehreren Stellen zusätzlich mit archäologischen Sondagen verifiziert. Auch ausgedehntere Grabungen fanden statt, um ganze Bereiche oder sogar ein komplettes Haus im Befund freizulegen.

Die Ergebnisse zeigten, dass unser Ort eine geordnete Stadtstruktur aufwies. Nahezu alle Baulichkeiten hatten eine aufeinander abgestimmte Orientierung. Die Häuser waren ohne Zwischenraum aneinander angelehnt, so dass sich von Straßen umgrenzte Wohnviertel beachtlicher Größe ergaben.

Die erfassten Häuser gehören alle dem einheitlichen Typ des mediterranen Mittelhofhauses an. Ihr Hauptraum liegt im Norden und ist mit seinem Eingang in den Hof nach Süden orientiert, wodurch er ein Maximum an Wärme und Licht aufnehmen konnte. Wasser wurde in der Regel aus einem hauseigenen Brunnen entnommen.